Dieser Artikel ist unter der ID: 920 in unserem System gelistet.

„Meister Tod“ wandelt durch Frankfurt

Dieser Artikel wurde 29.211 mal gelesen.

Frankfurt, anno 1509: Zwei junge Frauen werden brutal ermordet. Es handelt sich um eine begehrte Prostituierte und die junge Adelige Mechthild. Als der Vater der Totenmagd Katharina nachts eine ominöse Versammlung auf dem Friedhof beobachtet und Zeuge eines grausigen Rituals wird, fällt der Verdacht sofort auf ihn. Ein Schmuckstück der Toten wurde bei ihm gefunden. Unter Folter gesteht er eine Tat, die er nicht begangen hat und wird hingerichtet. Katharina ist entsetzt und verzweifelt. Felsenfest glaubt sie an die Unschuld ihres Vaters und sucht nach Beweisen und Hinweisen auf den wahren Schuldigen. Doch ihre Nachforschungen kommen nur schleppend voran, außerdem wird eine weitere Leiche gefunden.

 

Katharina schließt Freundschaft mit der Patriziertochter Anna, der Schwester Mechthilds. Auch Anna ist bestrebt die Wahrheit über den Tod ihrer Schwester herauszufinden und schließt sich Katharina an. Sie finden heraus, dass in Frankfurt eine geheimnisvolle Bruderschaft, die von „Meister Tod“ geführt wird, ihr Unwesen treibt. Da eröffnet sich den beiden Frauen eine heiße Spur und Katharina gerät in tödliche Gefahr. Da die Ratsherren Anna keinen Glauben schenken, zieht sie mit dem Malergesellen Florian auf eigene Faust los, Katharina zu suchen. Die tritt derweil „Meister Tod“ persönlich entgegen…

 

Die Nachwirkungen der Pest in Frankfurt

Ursula Neeb gelingt es ein farbenprächtiges und lebendiges Bild der historischen Stadt Frankfurt zu zeichnen. Als Kulisse für diesen historischen Roman eignet sich die Mainmetropole perfekt. Doch, um präzise zu sein, ist „Das Geheimnis der Totenmagd“ eher ein historischer Krimi als ein Roman. Die Nachwirkungen der Pest und die gesellschaftlichen Veränderungen, die diese nach Frankfurt brachten bieten den idealen Stoff für einen Kriminalfall. Aberglauben und die Angst vor der Apokalypse und dem Tod treiben die Menschen in die Arme ominöser Bündnisse, in der Hoffnung ihre Seele zu retten.        Die Historikerin Ursula Neeb hat viel und ausgiebig recherchiert und auch die Predigten der Geißlerführer und Gebete und Lehren der „Brüder des Todes“ mit in ihren Roman einbezogen und daraus ihre Bruderschaft entwickelt. Geschickt wechselt sie die Erzählebenen und bringt mit fiktiven Aufzeichnungen eines jungen Mönchs und Mitgliedern der Bruderschaft neue Blickwinkel in die Handlung.

Auch der Frankfurter Alltag ist lebendig beschrieben. Deutlich arbeitet die Autorin die Stellung und den Wert von Frauen und Randgruppen wie Henker und Huren heraus. Selbst die Totenmagd, die Leichen für die Beerdigung herrichtet, wird wie eine Aussätzige behandelt – obwohl jeder für ihre Dienste dankbar ist. Die Frankfurter Mundart kommt auch nicht zu kurz, allerdings wird sie von Ursula Neeb nicht konsequent angewandt, mal sprechen ihre Figuren Frankfodderisch, dann mal wieder nicht. Hier wünscht man sich als Leser mehr Beständigkeit.

Flüssiger Schreibstil mit vielen Details

Ursula Neebs Schreibstil ist flüssig und zieht einen schnell in seinen Bann, bereits die ersten Kapitel deuten auf einen brisanten Kriminalfall hin. Allerdings gestaltet sich die Handlung umso langatmiger, je mehr Details die Autorin offen legt. Hier wäre weniger mehr gewesen, denn so nimmt Ursula Neeb ihrer Geschichte das Tempo. Viele Ereignisse plätschern einfach so dahin ohne zur Handlung oder der Figurengestaltung beizutragen. Denn trotz langer Gespräche zwischen Katharina, Anna und Florian, wirken die Hauptfiguren etwas farblos. Zwar erfährt man viel über ihren familiären Hintergrund, ihre Gefühle und ihre Gedanken, dennoch wirken sie blass. Besonders bedauerlich ist das in Bezug auf die Bruderschaft und ihren Führer: Ursula Neeb baut geschickt die Bedrohung auf, die von „Meister Tod“ ausgeht, doch die Figur dahinter ist nur vage zu erkennen.

Blutig und ausführlich hingegen beschreibt die Autorin die Folter und Hinrichtung von Katharinas Vater durch den brutalen Inquisitor. Durchaus nichts für schwache Nerven, jedoch authentisch und realistisch, wie es eben im Mittelalter üblich war. Hier zeigt Ursula Neeb ein historisch fundiertes Bild, das viel zu oft in historischen vernachlässigt oder nur entschärft und idealisiert dargestellt wird. Hierin liegt die Stärke des Romans, die Handlung ist durchweg realistisch.

Der Kriminalfall im Vordergrund

Erfreulich ist, dass die Autorin auf die übliche Liebesgeschichte verzichtet. Nur am Rande spielen die zarten Bande, die Florian und Katharina knüpfen, eine Rolle. Die Handlung konzentriert sich voll auf den Kriminalfall und Katharinas Kampf mit der Bruderschaft.
Doch was wäre ein historischer Roman – ob Krimi oder nicht – ohne eine starke Frau? Auch Ursula Neebs Protagonistin Katharina erweist sich als couragiertes Frauenzimmer, dass sich mit einem unbändigen Lebenswillen aus den Fängen der Bruderschaft und „Meister Tod“ befreien kann und die Beweise liefern kann, die die Unschuld ihres Vaters belegen.

Lohnenswerte Lektüre trotz Schwächen

„Das Geheimnis der Totenmagd“ bietet alles, was hartgesottene Leser des historischen Romans sich wünschen: eine mutige Heldin und fundierte historische Fakten. Schon allein wegen der Beschreibungen des Frankfurter Alltags und seiner Bewohner lohnt sich die Lektüre definitiv.

Auch die Darstellung der Bruderschaft um „Meister Tod“, ihrer Vorstellungen und Vorgehensweisen sind überzeugend und spannend, da dieses Thema noch nicht so oft verarbeitet wurde. Die Autorin geizt nicht mit blutigen Details zur Pest, Folter und Hinrichtungen im 16. Jahrhundert, so dass man über diverse kleine Schwächen des Romans durchaus hinwegsehen kann.  

Jutta Ladwig, Studio Frankfurt

 

Ursula Neeb: Das Geheimnis der Totenmagd

Taschenbuch, 423 Seiten.

Ullstein Buchverlage, Berlin 2011.

8,99 EUR

ISBN: 978-3548282817

- Anzeige -
- Anzeige -

Kommentare sind in diesem Artikel nicht erlaubt.